18. August 2024

Grundlagen des Außensteuerrechts

Ziel und Zweck des Außensteuergesetzes (AStG)

  • Das Außensteuergesetz (AStG) zielt darauf ab, steuerliche Nachteile für den deutschen Fiskus durch Steuervermeidungsstrategien im Ausland zu verhindern. Es soll sicherstellen, dass Einkünfte und Vermögen, die weiterhin wesentliche wirtschaftliche Verbindungen nach Deutschland aufweisen, auch nach einem Wegzug ins Ausland der deutschen Besteuerung unterliegen.

Erweiterte beschränkte Steuerpflicht (§ 2 AStG)

  • Anwendbarkeit: Diese Regelung gilt für natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegen und dabei wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland beibehalten.
  • Voraussetzungen (§ 2 Abs. 1 AStG):
    • Deutsche Staatsangehörigkeit.
    • Unbeschränkte Steuerpflicht für mindestens 5 Jahre innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Wegzug.
    • Ansässigkeit in einem Niedrigsteuerland (2/3 weniger Steuern bei einem zvE von 77.000 EUR) oder fehlende Ansässigkeit sowie eingeräumte Vorzugsbesteuerung (§ 2 Abs. 2 AStG).
    • Wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland (§ 2 Abs. 3 AStG).
    • Mehr als 16.500 EUR beschränkt steuerpflichtige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 S. 3 AStG).
  • Steuerliche Folgen:
    • Erfassung der in Deutschland erzielten Einkünfte (§ 2 Abs. 1 S.1 1.HS. EStG).
    • Besteuerung bis zu 10 Jahre nach dem Wegzug.
    • Höhe des Steuersatzes ist auf das Welteinkommen bezogen (Progressionsvorbehalt § 2 Abs. 5 S. 1 AStG)
    • Keine Abgeltungswirkung bei Abzugsteuern (§ 50a EStG).
    • Härtefallregelung möglich (§ 2 Abs. 6 AStG).

Im Fall FG München (Az. 8 K 883/17) wurde die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz nach London verlegt hatte, in Deutschland auf Basis der erweiterten beschränkten Steuerpflicht gemäß § 2 AStG besteuert. Der Streitpunkt lag in der Anwendung der britischen „remittance basis“ und ihrer Einstufung als Vorzugsbesteuerung. Das Gericht entschied, dass die „remittance basis“ als Vorzugsbesteuerung zu betrachten sei, was die erweiterte Steuerpflicht in Deutschland auslöste. Die Klage wurde abgewiesen, aber die Revision zum BFH zugelassen.

Wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland, wie sie nach § 2 Abs. 3 AStG definiert sind, umfassen insbesondere Beteiligungen an inländischen Gewerbebetrieben oder Kapitalgesellschaften sowie bestimmte Einkünfte und Vermögenswerte. Konkret gelten Beteiligungen an inländischen Unternehmen, wenn sie bestimmte Einkommens- oder Vermögensgrenzen überschreiten, als wesentlich. Diese Schwellenwerte betragen 30% der Gesamteinkünfte oder des Gesamtvermögens bzw. absolut 62.000 € bei Einkünften und 154.000 € beim Vermögen (nicht ausländische Einkünfte oder Vermögen i.S.v. § 34d EStG). Diese Definition ist entscheidend für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht von Personen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, aber weiterhin enge wirtschaftliche Verbindungen zu Deutschland aufweisen.

Sachverhalt:

Mario Flug (M) lebt seit seiner Geburt in Frankfurt am Main. Im Jahr 2021 heiratet er Frida Ghost (F), eine Australierin. Im Jahr 2022 wandern die beiden nach Monaco aus, einem Land ohne Einkommensteuer und ohne Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Deutschland.

Im Jahr 2023 erzielen M und F folgende Einkünfte:

  • a) Beteiligung an der MUC KG in München (25.000 €): M ist zu gleichen Teilen mit zwei anderen Gesellschaftern an der MUC KG beteiligt.
  • b) Selbständige Tätigkeit in Frankfurt (20.000 €): M behält ein kleines Büro in Frankfurt, um seine Zulassung als Steuerberater zu behalten, und erzielt daraus Einkünfte.
  • c) Zinsen aus Privatdarlehen (5.000 €): M hat einem Bekannten ein Darlehen gewährt, das durch ein Grundstück in Frankreich besichert ist.
  • d) Lizenzgebühren (8.500 €): M lizenziert ein Patent an ein Unternehmen in den USA, das in einer deutschen Produktionsstätte verwendet wird.
  • e) Zinsen aus einer deutschen Bankanlage (7.500 €): Zinsen aus einer Geldanlage bei einer deutschen Bank.
  • f) Gewinne aus Fitnesscenter in Monaco (80.000 €): Gewinne aus einem Fitnesscenter, das M in Monaco betreibt.
  • g) Zinsen aus einem unbesicherten Darlehen von F (5.000 €): F hat einer Freundin ein unbesichertes Darlehen gewährt, die damit ein Restaurant in Frankfurt eröffnet hat.

Lösung:

Anwendbarkeit der erweitert beschränkten Steuerpflicht (§ 2 AStG):

Mit Monaco besteht kein (vollständiges) Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) somit ist § 2 AStG uneingeschränkt anwendbar. Es besteht lediglich ein DBA zum Informationsaustausch. Siehe auch Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes vom 22.12.2023, Tz. 2.0.2.1

Auswirkungen auf die Einkommensteuerpflicht:

Die Eheleute haben einen vollständigen Wohnsitzwechsel vollzogen. Sie verfügen in Deutschland weder über einen Wohnsitz i.S.d. § 8 AO noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 9 AO. Dadurch scheidet die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 1 EStG aus.

In Betracht kommen somit die beschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG und die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 2 AStG.

Einkünfte von F:

Frida Ghost (F), die Ehefrau von Mario Flug, hat keine deutsche Staatsangehörigkeit und erzielt im Jahr 2023 folgende Einkünfte:

  • Zinsen aus einem unbesicherten Darlehen (5.000 €): F hat ihrer Freundin ein unbesichertes Darlehen gewährt, das zur Eröffnung eines Restaurants in Frankfurt genutzt wurde.

Die Zinsen aus dem unbesicherten Darlehen könnten theoretisch der deutschen Besteuerung unterliegen, da sie in Verbindung mit einem in Deutschland befindlichen Restaurant stehen. Aufgrund der speziellen Umstände (Darlehen ist unbesichert und F hat keine wesentlichen wirtschaftlichen Interessen in Deutschland) unterliegen diese Zinsen jedoch nicht der deutschen Einkommensteuer.

§ 49 Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte

(1) Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Absatz 4) sind (…)

 5. Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des (…) c) § 20 Absatz 1 Nummer 5 und 7, wenn (…)

aa) das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz, durch inländische Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (…) unmittelbar oder mittelbar gesichert ist. (..)

Da das an die Freundin gewährte Darlehen unbesichert ist, fehlt es an einer Besicherung durch inländisches Grundbesitz, sodass die Voraussetzungen für die beschränkte Steuerpflicht i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. c, aa EStG nicht erfüllt sind.

Da F keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und ihren Wohnsitz nach Monaco verlegt hat, fallen ihre Einkünfte grundsätzlich nicht unter die erweiterte beschränkte Steuerpflicht i.S.d. § 2 AStG in Deutschland, es sei denn, sie hätte Einkünfte aus einer deutschen Quelle.

Ebenso war F nicht lange genug in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig (keine 5 Jahre in den letzten 10 Jahren).

Zinsen aus dem unbesicherten Darlehen von F (5.000 €): Da dieses Darlehen unbesichert ist und F keine deutsche Staatsangehörigkeit hat, sind die Zinsen nicht in Deutschland steuerpflichtig.

Nicht steuerpflichtig: 5.000 €.

Einkünfte von M:

Voraussetzungen bei M:

M erfüllt die Voraussetzungen des § 2 AStG, da er

  • eine natürliche Person mit deutscher Staatsangehörigkeit (§ 2 Abs. 1 S. 1 AStG) ist,
  • die in den letzten 10 Jahren mindestens 5 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig i.S.d. § 1 Abs. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 S.1 AStG war und
  • nun in einem Niedrigsteuerland (Monaco), einem Gebiet mit niedriger Besteuerung i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AStG ansässig ist. Monaco erhebt bei natürlichen Personen keine Ertragssteuern, somit ist die Voraussetzung erfüllt, da die ESt um 1/3 (bei einen Mindest-zvE von 77000 EUR) niedriger ist als bei deutschen ESt.
  • Zudem verfügt er über wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG. Die Beteiligung an der MUC KG reicht aus (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG). Im Vergleich wäre M Kommanditist müssten mehr als 25% der Einkünfte der KG ihm zustehen, um die Voraussetzungen zu erfüllen.

Ergebnis: Die Voraussetzungen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht sind für M erfüllt. M ist für das Jahr 2022 und die folgenden 10 Jahre mit allen Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1, 1. HS steuerpflichtig, die bei unbeschränkte Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG wären. Der Katalog der Einkünfte i.S.d. § 49 EStG wird somit erweitert (sog. erweiterte Inlandseinkünfte).

  • Einkünfte im Detail:
    • a) Gewinnanteil aus der MUC KG (25.000 €): Diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sind in Deutschland steuerpflichtig, da die Beteiligung eine inländische Betriebsstätte vermittelt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG).
      • Steuerpflichtig: 25.000 €
    • b) Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Frankfurt (20.000 €): Diese Einkünfte aus selbständige Tätigkeit § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind steuerpflichtig, da sie in Deutschland erzielt bzw. ausgeübt/ verwertet werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG).
      • Steuerpflichtig: 20.000 €
    • c) Zinsen aus dem Privatdarlehen (5.000 €): Diese Zinsen sind Einkünfte aus Kapitalvermögen § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und sind nicht in Deutschland steuerpflichtig, da das Darlehen durch ausländischen Grundbesitz (Frankreich) besichert ist ( § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. c, aa EStG scheidet aus) und keine deutsche Einkommensquelle darstellt. Es liegen ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d Nr. 6 EStG vor. Daher scheidet § 2 AStG aus.
      • Nicht steuerpflichtig: 5.000 €.
    • d) Lizenzgebühren (8.500 €): Diese Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 EStG sind in Deutschland steuerpflichtig, da das Patent in einer inländischen Betriebsstätte eines Maschinenbauunternehmen aus der USA genutzt/verwertet wird. Ein weiteren Anknüpfungspunkt im Inland bedarf es nicht. Die einbehaltene deutschen Abzugsteuer von 15 % nach § 50a EStG ist keine abschließende Besteuerung (§ 2 Abs. 5 S. 2 AStG).
      • Steuerpflichtig: 10.000 €.
    • e) Zinsen aus der (deutschen) Bankanlage (7.500 €): Diese Zinsen sind Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und unterliegen der Kapitalertragsteuer von 25 % (§ 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Da eine Besicherung am inländischen Grundbesitz nicht vorliegt, scheidet § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. c, aa EStG aus. Da eine Besicherung am ausländischen Grundbesitz ebenfalls nicht vorliegt, scheidet § 34d Nr. 6 EStG aus. Somit ist § 2 AStG erfüllt.
      • Steuerpflichtig: 10.000 €.
    • f) Gewinne aus dem Fitnesscenter in Monaco (80.000 €): Diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG sind in Monaco erzielt und werden nicht in Deutschland besteuert, da sie als ausländische Einkünfte gelten (§ 34d Nr. 2 lit. a EStG).
      • Nicht steuerpflichtig: 80.000 €

Ergebnis:

Summe der steuerpflichtigen Einkünfte: 65.000 € (Nicht steuerpflichtig 85.000 €)

  • davon Kapitalertragssteuerpflichtige Einkünfte: 10.000 €,
  • davon nach Tarif zu besteuern 55.000 € = Bemessungsgrundlage
  • zzgl. Grundfreibetrag 2023 für die Bemessung des Steuersatzes 10.908 €

Nach § 32a Abs. 1 EStG ist die Grundtabelle anzuwenden.

  • BMG 55.000 € + Ausländische Einkünfte 85.000 € + Grundfreibetrag 10.908 € = zvE 150.908 €
    • Steuer 0,42 ×150.908− 9.972,98 = 53.408,36 € Steuerbetrag auf den nächsten vollen Euro-Betrag abzurunden, Steuer nach § 32a Abs. 1 EStG: 53.408 €
      • Durchschnittlicher Steuersatz: ((53408 €/150.908 €) *100) 35,39 %
  • Steuer auf BMG (55.000 € * 35,39%) 19.465 €
    • abzgl. Abzugsteuer § 50a EStG (15% von 10.000 €) -1.500 €
    • Verbleiben 17.965 €

Da im § 2 Abs. 5 S. 1 AStG ein eigener Progessionsvorbehalt vorgesehen ist, werden die tariflich zu besteuernden Einkünfte mit dem Steuersatz besteuert, der sich für sämtliche Einkünfte (d.h. inkl. der ausländischen Einkünfte von 85.000 €) ergibt. Die Abzugssteuer i.S.d. § 50a EStG hat ausnahmsweise keine abgeltende Wirkung (§ 2 Abs. 5 S. 2 AStG), sodass auch die ihr unterliegenden Einkünfte mit dem persönlichen Steuersatz zu besteuern sind.

  • Kapitalertragssteuerpflichtige Einkünfte 10.000 €
  • abzgl. Sparer-Pauschbetrag § 20 Abs. 9 EStG 1.000 €
  • = BMG 9.000 €,
    • davon 25% (§ 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) 2.250 €
    • abzgl. anzurechnende Kapitalertragssteuer -2.500 €
    • = – 250 €

Ergebnis:

  • Gesamtsteuerbelastung: 21.750 € (19.465 € -1.500€ + 2.250 € – 2.500 €)
  • Noch zu bezahlen: 17.715 € (17.965 € +(-250€))

Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG)

  • Zielsetzung: Sicherstellung, dass stille Reserven, die in einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gebildet wurden, dem deutschen Fiskus nicht entgehen, wenn ein Steuerinländer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt.
  • Regelfall (§ 6 Abs. 1 AStG):
    • Gilt für natürliche Personen, die mindestens 7 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig (innerhalb der letzten 12 Jahre vor dem Ende der unbeschränkten Steuerpflicht) waren und ihren Wohnsitz nach § 8 EStG oder gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 EStG nicht nur vorübergehend ins Ausland verlegen.
    • Die Anteile an Kapitalgesellschaften § 17 Abs. 1 S. 1 EStG werden fiktiv als veräußert betrachtet.
  • Veräußerungsfiktion: Der gemeine Wert der Anteile wird als fiktiver Veräußerungspreis angesetzt, Verluste werden dabei nicht realisiert.
  • Stundung (§ 6 Abs. 4 AStG): Auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung kann die Steuer auf den fiktiven Veräußerungsgewinn über 7 Jahre in Raten gezahlt werden.
  • Anschaffungsfiktion (§ 6 Abs. 1 S. 3 AStG): Bei späterer tatsächlichen Veräußerung wird der Gewinn um den besteuerten Vermögenszuwachs gekürzt, soweit hierfür Steuer entrichtet wurde.

Sachverhalt: Vermögenszuwachsbesteuerung bei Wohnsitzwechsel ins Ausland

Der spanische Staatsbürger, José Palermo (JP), ist seit 1990 in Berlin und zieht im Mai 2023 nach Uruguay um, nachdem er erfolgreich zwei Beteiligungen in Deutschland (100% an der Rotwein GmbH und 2% an der Weinverkaufs GmbH) und eine Beteiligung in Spanien (10% an der Vino Bueno S.A.) aufgebaut hat. Die Gründungskosten der GmbH betrugen 100.000 EUR, der gemeine Wert im Mai 2023 betrug 1,1 Mio. EUR. Die Frage lautet, welche steuerlichen Konsequenzen sich aus diesem Wegzug nach Uruguay ergeben.

Lösung:

Tatbestandsmerkmale der Wegzugsbesteuerung bei JP § 6 Abs. 1 S. 1 AStG

  • JP ist eine natürliche Person und war in den letzten 12 Jahren vor dem Ende seiner unbeschränkten Steuerpflicht mind. 7 Jahre unbeschränkt ESt-Pfichtig nach § 1 Abs. 1 EStG. Auf die spanische Staatsangehörigkeit kommt es nicht.
  • Mit Wegzug in Mai 2023 endet seine unbeschränkte ESt-Pflicht in DEU.
  • Er hält Anteile nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG, da er mit mind. zu 1 % beteiligt ist und alle Anteile im Privatvermögen gehalten werden.

Fiktive Veräußerung der Anteile nach § 17 EStG

JP muss auf alle seine Anteile eine fiktive Veräußerung (Veräußerungsfiktion) seiner Anteile ansetzen. Der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG ist die Differenz zwischen Veräußerungspreis und den Anschaffungskosten. Da jedoch keine tatsächliche Veräußerung vorliegt, tritt an die Stelle des Veräußerungspreises der gemeine Wert der Anteile zum Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 6 Abs. 1 S.1 AStG).

Bei der Weinverkaufs GmbH sowie der Vino Bueno S.A. ergibt sich ein Wertverlust. Diese dürfen nicht mit Wertzuwächsen verrechnet werden.

Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG:

  • Gemeiner Wert der Anteile an der Rotwein GmbH im Zeitpunkt des Wegzugs 1.100.000 EUR
  • abzgl. Anschaffungsnebenkosten 100.000 EUR
  • Gewinn 1.000.000 EUR (Kein Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG)

Teileinkünfteverfahren (TEV) i.S.d. § 3 Nr. 40 c EStG

  • 40 % steuerfrei 400.000 EUR
  • 60 % steuerpflichtig (BMG) 600.000 EUR
  • Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz

Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass JP wieder nach Deutschland zurückkehren will, ist keine Ausnahme der Wegzugsbesteuerung aufgrund einer vorübergehenden Abwesenheit nach § 6 Abs. 3 AStG möglich.

Auf Antrag ist eine Stundung nach § 6 Abs. 4 AStG möglich. In dem Fall ist die Steuer auf 7 Jahre zu verteilen und eine Sicherheitsleistung zu stellen.


Variante 2 des Sachverhalts: JP ist an der Weinverkaufs GmbH ebenfalls zu 100% beteiligt, die Vino Buena S.A. existiert nicht. Vor Auswanderung möchte er wissen wie ein Wertverlust berücksichtigt werden kann.

Die Verrechnung von Wertverlusten mit Wertzuwächsen ist nicht möglich. Um zumindest mittelbar von dem eingetretenen Wertverlust zu profitieren, müsste JP vor dem Wegzug (am besten steuerneutrale) Umwandlungen vornehmen, z.B.

1. Verschmelzung der Rotwein GmbH und der Weinverkaufs GmbH

  • Vorgehen: JP könnte vor seinem Wegzug die Rotwein GmbH und die Weinverkaufs GmbH miteinander verschmelzen.
  • Vorteile: Der Wertverlust der Weinverkaufs GmbH wird mit dem Wertzuwachs der Rotwein GmbH verrechnet. Dadurch wird der steuerpflichtige Gewinn aus der Funktionsverlagerung und somit die Wegzugsbesteuerung reduziert.
  • Rechtliche Grundlage: Die Verschmelzung könnte steuerneutral nach dem Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) erfolgen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.

2. Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft

  • Vorgehen: JP könnte vor dem Wegzug eine Holdinggesellschaft gründen, die 100% der Anteile an der Rotwein GmbH und der Weinverkaufs GmbH übernimmt.
  • Vorteile: Die Holdingstruktur ermöglicht die Konsolidierung der Gewinne und Verluste der beiden Gesellschaften. Steuerliche Optimierung durch die spätere Veräußerung oder Umstrukturierung der Beteiligungen. Flexibilität bei der Verwaltung der Vermögenswerte und potenziell geringere Steuerlast bei einer Veräußerung im Rahmen der Holdingstruktur.
  • Rechtliche Grundlage: Die Gründung und Zwischenschaltung der Holdinggesellschaft erfolgt steuerneutral gemäß § 21 UmwStG, sofern die Anforderungen erfüllt sind.

3. Anteilstausch

  • Vorgehen: JP könnte seine Anteile an der Rotwein GmbH und der Weinverkaufs GmbH in eine neu gegründete Holdinggesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile einbringen.
  • Vorteile: Der Anteilstausch kann steuerneutral erfolgen, sodass die stillen Reserven in den eingebrachten Anteilen nicht sofort besteuert werden. Steuerliche Belastungen werden aufgeschoben, und JP erhält Flexibilität in der zukünftigen Vermögensplanung. Bei einem späteren Wegzug ins Ausland, insbesondere in einen EU-/EWR-Staat, könnte die Wegzugsbesteuerung zinslos gestundet werden, solange keine Veräußerung der Anteile erfolgt.
  • Rechtliche Grundlage: Der Anteilstausch erfolgt steuerneutral nach § 21 UmwStG. Die Stundung der Wegzugsbesteuerung erfolgt gemäß § 6 Abs. 5 AStG, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

Alle drei Optionen bieten JP Möglichkeiten, die steuerlichen Auswirkungen seines Wegzugs aus Deutschland zu optimieren. Die Wahl der richtigen Strategie hängt von den spezifischen Umständen ab, einschließlich der geplanten zukünftigen Aktivitäten und der steuerlichen Rahmenbedingungen in den beteiligten Ländern. Durch rechtzeitige Planung kann JP seine Steuerlast erheblich reduzieren und gleichzeitig Flexibilität in der Verwaltung seiner Beteiligungen gewinnen.


Sachverhalt 2: Der BO lebt von Geburt an in Frankfurt und hat 2018 die deutsche Grounds Ops GmbH gegründet, die verschiendene Ground Handling Leistungen (z.B. Push-Back, Reinigung, Check-In) an den größten Flughäfen Deutschlands erbringt (Anschaffunsfskossten der Beteiligung betrugen 100.000 EUR, gemeiner Wert im November 2022 (Zeitpunkt der Umzugs) betrug 1.300.000 EUR. Gleichzeitig beteiligte er sich an der größeren Handling Services S.A. aus Spanien, die ähnliche Leistungen an spanischen Glufhägen erbringt (Beteiligung 2%, Anschaffungskosten 2018: 200.000 EUR, gemeiner Wert imm November 80.000 EUR).

Lösung:

Voraussetzung der Wegzugsbesteuerung § 6 Abs. 1 S. 1 AStG:

  • BO ist eine natürliche Person
  • War mindestens 7 Jahre innerhalb der letzten 12 Jahre vor dem Ende der unbschränkten Steuerpflicht unbeschränkt ESt-Pflichtig
  • BO hält Anteile i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG, da er zu mind. 1% an der Ground Ops GmbH und der Handling Services S.A. beteiligt ist (100%)
  • Die unbeschränkte ESt-Pflicht endet von BO durch Aufgabe seines deutschen Wohnsitzes

Rechtsfolgen:

Die Anteile an beiden Gesellschaften gelten als veräußert, dass die S.A. eine spanische Gesellschaft ist, ist ohne Bedeutung. § 17 EStG ist auf die Anteile auch ohne Veräußerung anzuwenden. Die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes steht der Veräußerung von Anteilen i.S.d. § 17 EStG gleich (§6 Abs. 1 S.1 Nr. 1 AStG).

Die Veräußerung erfolgt im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AStG). Der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG ist die Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und den Anschaffungsnebenkosten. Da keine Veräußerung tatsächlich vorliegt, tritt an Stelle des Veräußerungspreis der gemeine Wert der Anteile zum Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht. Da sich bei der Beteiligung an der Handling Services S.A. kein Vermögenszuwachs ergibt, sondern ein Verlust, ist dieser nicht zu berücksichtigen.

Gewinnermittlung:

Gemeiner Wert 1.300.000 EUR

abzgl. ANK 100.000 EUR

Gewinn 1.200.000 EUR (Kein Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG)

TEV i.S.d. § 3 Nr, 40 c EStG, d.h. 60 % des Gewinns sind steuerpflichtig 720.000 EUR

  • Kein Ausnahme von der Wegzugsbesteuerung i.S.d. § 6 Abs. 3 AStG, da keine vorübergehende Abwesenheit
  • Stundung gemäß § 6 Abs. 4 AStG auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung möglich. In dem Fall ist die Steuer auf 7 Jahre zu verteilen. Die Jahresraten sind nicht zu verzinsen.

Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7-13 AStG)

  • Reguläre Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 AStG):
    • Betrifft Steuerinländer, die direkt oder indirekt an ausländischen Gesellschaften beteiligt sind.
    • Voraussetzungen:
      • Beherrschung der ausländischen Gesellschaft durch den inländischen Steuerpflichtigen (§ 7 Abs. 3 AStG i.V.m. § 1 Abs. 2 AStG).
      • Niedrige effektive Ertragsbesteuerung im Ausland (< 15% ab 2024) (§ 8 Abs. 5, § 21 Abs. 6 AStG).
      • Die ausländische Gesellschaft erzielt passive Einkünfte (keine Einkünfte des Aktivkatalogs in § 8 Abs. 1 AStG).
    • Freigrenze (§ 9 AStG): Einkommen muss eine bestimmte Grenze überschreiten, um der Hinzurechnungsbesteuerung zu unterliegen.
  • Erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 13 AStG):
    • Betrifft Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter, z.B. Zinsen.
    • Freigrenze: 10% der gesamten Zwischeneinkünfte und maximal 80.000 €.

Praxisfall: Hinzurechnungsbesteuerung einer deutschen GmbH mit Beteiligung an einer Ltd. in Hongkong

Sachverhalt:

Eine deutsche GmbH hält 51% der Anteile an einem niedrig besteuerten Koordinationszentrum in Hongkong, das in Form einer Ltd. organisiert ist. Die Steuerbelastung in Hongkong liegt unter 15%. Der zweite Gesellschafter (49%) ist ein chinesischer Staatsbürger. Die Ltd. erzielt im Jahr 2024 folgende Einkünfte:

  1. Handelseinkünfte (auf dem lokalen Markt erzielt mit eigenen Mitarbeitern und eigenem Kundenstamm, wobei die Waren von der GmbH erworben wurden): 700
  2. Einkünfte aus dem Halten und Verwalten von Wertpapieren: 100
  3. Dividendenbezüge (aus 100%-Beteiligungen, wobei die Dividenden das Einkommen der leistenden Körperschaften nicht gemindert haben): 100
  4. Einkünfte aus der Konzernfinanzierung (das für die Darlehensvergabe benötigte Kapital stammt von den beiden Gesellschaftern als Einlage): 100

Fragestellung: Ist bei der deutschen GmbH eine Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG vorzunehmen? Wenn ja, in welcher Höhe?

Lösung:

EU-Besonderheiten nach § 8 Abs. 2 – 4 AStG scheiden aus. Hong Kong hat eine Steuerbelastung unter 15 % und ist somit ein Land der Niedrigbesteuerung.

Handelseinkünfte:

  • Diese Handelseinkünfte wurden auf dem lokalen Markt von der Ltd. mit eigenen Mitarbeitern und einem selbst geschaffenen Kundenstamm erzielt. Ein eingerichteter Geschäftsbetrieb ist vorhanden. Da die Ltd. die Waren von der GmbH in Deutschland erworben hat, handelt es sich um aktive Einkünfte.
  • Rechtsgrundlage: § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG.
  • Bewertung: Keine Hinzurechnungsbesteuerung, da es sich um aktive Einkünfte handelt.

Einkünfte aus dem Halten und Verwalten von Wertpapieren:

  • Diese Einkünfte sind passive Einkünfte im Sinne von § 13 Abs. 2 AStG. Eine Beherrschung ist nicht erforderlich.
  • Rechtsgrundlage: § 13 Abs. 1 AStG (erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung).
  • Bewertung: Die Einkünfte in Höhe von 100 unterliegen der Hinzurechnungsbesteuerung, da es sich um passive Einkünfte handelt, die nicht im Aktivkatalog des § 8 AStG aufgelistet sind.

Dividendenbezüge:

  • Da die Dividenden das Einkommen der leistenden Körperschaften nicht gemindert haben, werden diese Bezüge als aktive Einkünfte behandelt.
  • Rechtsgrundlage: § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG.
  • Bewertung: Keine Hinzurechnungsbesteuerung, da die Einkünfte als aktiv gelten.

Einkünfte aus der Konzernfinanzierung:

  • Diese Einkünfte gelten als Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 13 Abs. 2 AStG und fallen nicht unter die aktiven Einkünfte nach § 8 Abs. 2 AStG.
  • Rechtsgrundlage: § 13 Abs. 1 AStG.
  • Bewertung: Diese Einkünfte in Höhe von 100 unterliegen der Hinzurechnungsbesteuerung.

Ergebnis: Die deutsche GmbH muss eine Hinzurechnungsbesteuerung für Einkünfte in Höhe von insgesamt 200 vornehmen. Diese setzen sich aus den 100 für das Halten und Verwalten von Wertpapieren sowie den 100 aus der Konzernfinanzierung zusammen.

Praxisfall zur Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 Abs. 1 AStG)

Sachverhalt:

  • Inländer A: Ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger möchte im Staat B (Nicht-DBA-Staat) in eine Immobilie investieren. Aufgrund möglicher Bodenkontamination erwirbt er die Immobilie über eine Kapitalgesellschaft (KapG) in B.
  • Einkünfte der KapG: Die KapG erzielt aus der Vermietung der Immobilie Einkünfte in Höhe von 100.
  • Besteuerung in B: Der Körperschaftsteuersatz in B beträgt 10%.
  • Dividendenausschüttung: Eine Dividendenausschüttung an A erfolgt nicht.

Fragestellung: Ist bei der deutschen GmbH eine Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG vorzunehmen? Wenn ja, in welcher Höhe?

Lösung:

  1. Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung:
    • Ausländische Kapitalgesellschaft (KapG): Die KapG hat weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland, also handelt es sich um eine ausländische Gesellschaft.
    • Beherrschung: A, der unbeschränkt steuerpflichtig ist, beherrscht die KapG zu 100%, da er alle Anteile hält.
    • Passive Einkünfte: Die Einkünfte der KapG stammen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Solche Einkünfte werden gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 lit. b AStG als passive Einkünfte eingestuft.
    • Niedrige Besteuerung: Die Steuerbelastung im Staat B beträgt nur 10%, was unter der Schwelle von 15% gemäß § 8 Abs. 5 AStG liegt. Somit handelt es sich um eine niedrig besteuerte Gesellschaft.
    • Freigrenze: Da die KapG ausschließlich passive Einkünfte erzielt, ist die Freigrenze überschritten.
    Ergebnis: Die KapG ist eine Zwischengesellschaft im Sinne des § 8 AStG. Die Einkünfte der KapG in Höhe von 100 werden A zugerechnet und unterliegen der Hinzurechnungsbesteuerung.
  2. Berechnung des Hinzurechnungsbetrags:
    • Gesamte Einkünfte: 100 (Einkünfte der KapG).
    • Hinzurechnungsbetrag: Da es sich um passive Einkünfte handelt, die vollständig der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, beträgt der Hinzurechnungsbetrag ebenfalls 100.

Schlussfolgerung: A muss in Deutschland für die hinzugerechneten Einkünfte von 100 aus der Vermietung der Immobilie durch die KapG Steuern zahlen, da die Einkünfte als passive Einkünfte eingestuft werden und die KapG in einem Niedrigsteuerland ansässig ist.


Sachverhalt: Der in Frankfurt wohnhaft in A ist an einer Limited in einem Niedrigsteuerland zu 30 % beteiligt, die ausschließlich passive Einkünfte erzielt. Unabhängig von der Beteiligung hat er sich allerdings 60 % der Stimmrechte gesichert. Liegt bei A eine Beteiligung i.S.d. § 7 AStG vor?

Lösung: Der unbeschränkt Steuerpflichtige A (i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 EStG, da Wohnsitz nach § 8 AO in DEU) hält an der Limited (ausländische Kapitalgesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG, da weder Sitz noch Ort der Geschäftsleitung im Inland) 30% der Anteile (in einem Niedrigsteuerland § 8 Abs. 5 AStG), sodass im ersten Schritt die 50%-Grenze nicht überschritten wäre. Allerdings sieht § 7 Abs. 2 AStG neben den Halten von Anteilen auch die Zurechnung von Stimmrechten vor. Da A sich 60% der Stimmrechte gesichert hat, ist Grenze überschritten und Hinzurechnungsbesteuerung kommt zum Tragen. Die Gestaltung verhindert das Auseinanderfallen von Stimmrechten und Anteilen zur Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung.


Sachverhalt: Der in Berlin wohnhafte B ist an einer Limited zu 30% unmittelbar beteiligt. Daneben ist er an der B.C.V. (Personengesellschaft) in gleichen Niedrigsteuerland zu 70% beteiligt. Diese wiederum hält 30% der Anteile an der Limited.

Lösung: Der unbeschränkt Stpfl. hält an der Limited unmittelbar 30% der Anteile (ausgehend das Stimmrechte auch Anteilen entsprechen). Da B an der B.C.V. zu 70% beteiligt ist, ist diese eine dem B nahestehende Person (§ 7 Abs. 3 S. 1 und S.2 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 a AStG, da Beteiligung >25%). Somit sind zum Zwecke der Beherrschungsermittlung die von der B.C.V. gehaltenen Anteile vollständig dem B zuzurechnen: 30 % unmittelbar + 30% gehalten von der B.C.V. = 60%, so dass die Hinzurechnungsbesteuerung bei B zum Tragen kommt. Alternativ ist B unmittelbar zu 30% und mittelbar zu 70% von 30%= 21%, somit in Summe zu 51% beteiligt.


Sachverhalt: Auch der in Düsseldorf lebende C ist an der Limited mit 10% unmittelbar beteiligt. Es besteht zu A und B keine Verbindung. Liegt eine Beteiligung i.S.d.§ 7 AStG vor?

Lösung: Der unbeschränkt Stpfl. C häält 10% Anteile, somit weniger als 50%. Es liegen auch keine nahestehenden Personen i.S.d. § 7 Abs. 3 AStG i.V.m. § 1 Abs. 2 AStG vor. Somit kommt es bei C nicht zur Hinzurechnungsbesteuerung. Hinweis: Auch Personen gelten als nahestehend, wenn Sie durch abgestimmtes Verhalten zusammenwirken (§ 7 Abs. 4 AStG). Dieses wird widerlegbar unterstellt. Sollte bspw. Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter vorliegen reicht bereits eine Beteiligungsgrenze von 1% (§ 13 Abs. 1, S1 , Abs. 2 AStG), bei ausschließlich solchen Einkünften ist die Grenze ohne Bedeutung (ausgenommen Aktienhandel).


Sachverhalt: Die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige D AG hält zu 100% zwei Gesellschaften im Ausland, die im Jahr 2022 Einkünfte erzielten:

Die DOM Ltd. Dominica (KSt-Satz 0%) ist hauptsächlich im Bereich der Lebensmittelproduktion tätig. Hierfür hat sie auf den verschiedenen Inseln moderne Produktionsanlagen errichtet, die sie selbständig betreibt. Die hergestellten und verarbeitenden Lebensmittel werden in der Region vertrieben. Die daraus erzielten Gewinne lässt die Gesellschaft ausschließlich auf ihren Geschäftskonto liegen, auf dem ein Zinssatz von 3% erwirtschaftet wird. Mit diesen zusätzlichen Zinseinnahmen will die Gesellschaft expandieren und neue Produktionsstätten errichten.

Die SIN Pty. Ltd. in Singapur (15%) ist eine sog. Shared-Service Gesellschaft, die verschiedene Leistungen (z.B. Buchführung, Gehalts- und Reisekostenabrechnungen, einfache Einkaufstätigkeiten o.ä.) ausschließlich an die D AG erbringt. Dafür hat Sie eigene Büroräume, Mitarbeiter und für die Ausübung der Tätigkeit notwendige Betriebsmittel, ,die sie auch auf dem lokalen Markt einkauft (alle Verträge werden durch sie abgeschlossen). Alle damit zusammenhängenden Entscheidungen bzgl. der bezogenen Dienstleistungen sowie die Art und Weise der Erbringung (z.B. Auswahl der Mitarbeiter, Räume und Zulieferer) werden ausschließlich von der D AG getroffen und die von ihr dazugehörigen Verträge von ihr freigegeben, die SIN führt lediglich Ihren Willen aus. Daneben hat die D AG die SIN als Investmentvehikel für den Einstieg in den lokalen Immobilienmarkt genutzt. Dafür hat die SIN (finanziert durch die DAG) mehrere lokale Immobilien erworben, die sie fremdvermietet. Nachdem DBA Deutschland – Singapur gilt für solche Vermietungseinkünfte die Freistellungsmethode. Schließlich wird die SIN als Finanzierungsgesellschaft in der Region verwendet. Das hierfür benötigte Geld nimmt sie auschließlich auf asiatischen Kapitalmärkten auf und finanziert damit weltweit Konzerngesellschaften der D AG, die fremde Rechnungen erwerben und lizenzieren.

Erzielen beide Gesellschaften aktive und passive Einkünfte, die bei der D AG der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen würden?

Lösung: Für alle Fallvarianten gelten folgende Lösungsschritte:

  • Die D AG ist unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtig i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG, da Sie ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) und Sitz (§11 AO) in Deutschland hat.
  • Sowohl DOM, als auch SIN sind ausländische Kapitalgesellschaften i.S.d. § 7 Abs. 1 S.1 AStG, da sie weder ihren Sitz noch Ort der GL im Inland ist.
  • Die Auslandsgesellschaften unterliegen einer niedrigen Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 5 AStG.
  • Da die D AG 100% der Anteile hält, ist sie zu mehr als 50% beteiligt, sodass die Beherrschung gegeben ist § 7 Abs. 1 AStG und Abs. 2 AStG.
  • Die Freigrenze nach § 9 AStG ist (im Zweifel) überschritten. Fraglich ist, ob die Gesellschaften passive Einkünfte erzielen, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen.
  • Bei der Prüfung muss jede Einkunftsart/ -quelle getrennt betrachtet werden.

DOM Ltd.:

  • Da die Gesellschaft im Bereich der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln tätig ist, liegt eine industrielle Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG und damit aktive Einkünfte vor.
  • Mit den Zinsen auf dem Geschäftskonto erzielt die Gesellschaft Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 13 Abs. 1 und 2 AStG, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen müssten. Wenn solche Einkünfte allerdings aus einer Tätigkeit stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden eigenen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient, sind die Einkünfte als aktiv zu betrachten (funktionale Betrachtungsweise § 13 Abs. 2 2.HS AStG). Da die Ltd. die Zinsgewinne aus der Anlage ihrer „aktiven“ Gewinne erzielt und mit ihnen weitere Produktionsanlagen finanzieren will, ist davon auszugehen. Daher sind die Zinsen als aktiv einzustufen, solange der wirtschaftliche Zusammenhang zur Haupttätigkeit besteht und kein erhebliches wirtschaftliches Eigengewicht erreicht wird.

SIN Pty. Ltd.:

  • Mit der Erbringung von Dienstleistungen (Shared Services) liegt grundsätzlich eine aktive Tätigkeit vor (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG). Da die Dienstleistungen jedoch ausschließlich an die D AG ( und damit an den ihr beteiligten unbeschränkten Steuerpflichtigen) erbracht werden,, erfolgt eine Umqualifizierung in passive Einkünfte (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 b AStG). Es besteht jedoch eine Rückausnahme nach der die Einkünfte wieder aktiv werden, wenn die Gesellschaft einen für das Bewirken solcher Dienstleistungen eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr unterhält und keine schädlichen Mitwirkung des Gesellschafters vorliegt (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 b 2.HS AStG). Die Gesellschaft verfügt unstreitig über die nötige personelle und sachliche Ausstattung (Geschäftsbetrieb), um solche Leistungen zu erbringen, die auch auf dem lokalen Markt bezogen werden (Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr). Da jedoch sämtliche Entscheidungen diesbezüglich von der D AG getroffen werden, sodass die SIN lediglich den Willen der D AG ausübt und keinen eigenen Entscheidungsspielraum im Hinblick auf die Leistungserbringung hat, liegt schädliche Mitwirkung seitens der D AG vor. Somit sind passive Einkünfte gegeben.
  • Mit der Vermietung erzielt die SIN grundsätzlich aktive Einkünfte i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG. Da hier Immobilien vermietet werden, handelt es sich jedoch um passive Einkünfte i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 6 b AStG. Von der Rückausnahme, die wiederum zu aktiven Einkünften führt, kann nur Gebrauch gemacht werden, wenn die D AG nachweisen kann, dass diese Einkünfte in Deutschland steuerbefreit wären, wenn die D AG sie direkt beziehen würde (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 b 2. HS AStG). Da gem. Art. 6 und 24 des DBA für solche Einkünfte die Freistellungsmethode vorgesehen ist, werden sie von der deutschen BMG herausgenommen und sind somit steuerfrei. Es handelt sich um aktive Einkünfte.
  • Die Finanzierungstätigkeit (Aufnahme und darlehensweise Vergabe von Kapital) führt zu Einkünften mit Kapitalanlagecharakter (§ 13 Abs. 1 und 2 AStG). Die Rückausnahme der funktionalen Betrachtungsweise ist in dem Fall nicht gegeben, da die Einkünfte nicht in Zusammenhang mit einer eigenen aktiven Tätigkeit der Gesellschaft zusammenhängen. Solche Einkünfte (Zinsen) sind auch nicht im Aktivkatalog des § 8 Abs. 1 AStG enthalten. Daher handelt es sich um passive Einkünfte.

Hinzurechnungsbesteuerung und EU-Recht

Besonderheiten bei EU-/EWR-Gesellschaften

Für Gesellschaften, die in der EU oder im EWR ansässig sind, gelten besondere Regelungen. Grundsätzlich dürfen die EU-Grundfreiheiten, insbesondere die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV, durch nationale Steuerregelungen nicht unangemessen eingeschränkt werden. Daher wurde im deutschen Steuerrecht eine Ausnahme von der Hinzurechnungsbesteuerung eingeführt, die greift, wenn der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass die ausländische Gesellschaft eine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Dies ist eine Reaktion auf das Urteil des EuGH im Fall „Cadbury Schweppes“ vom 12. September 2006, in dem der EuGH entschieden hat, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nicht auf Gesellschaften anwendbar ist, die eine echte wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.

Substanzanforderungen und Motivtest

Um die Hinzurechnungsbesteuerung zu vermeiden, muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass die ausländische Gesellschaft über die notwendige Substanz verfügt, also einen echten Geschäftsbetrieb unterhält und keine reine Briefkastengesellschaft ist. Diese Nachweispflichten werden als „Motivtest“ bezeichnet und betreffen insbesondere die Betriebsorganisation, den Personalbestand und die Ausstattung der Gesellschaft. Der Motivtest, der bei EU-/EWR-Gesellschaften relevant ist, wird bei Drittstaatengesellschaften grundsätzlich nicht angewendet, es sei denn, die Gesellschaften sind in wirtschaftlich relevanten Tätigkeiten involviert. Hier stellt der Gesetzgeber strengere Anforderungen, um zu verhindern, dass Steuerpflichtige durch die Verlagerung von Einkünften in Drittstaaten mit niedriger Steuerbelastung Steuern vermeiden.

Gewerbesteuerliche Auswirkungen

Hinzurechnungsbetrag als Teil des Gewerbeertrags: Seit 2017 gehört der Hinzurechnungsbetrag zum inländischen Gewerbeertrag, gemäß § 7 Satz 7 GewStG. Dies bedeutet, dass die Einkünfte, die nach dem AStG hinzugerechnet werden, vollständig der Gewerbesteuer unterliegen. Eine Kürzung dieser Beträge im Sinne des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG ist nicht mehr möglich. Diese Regelung zielt darauf ab, dass alle Einkünfte, die aufgrund der Hinzurechnung in Deutschland versteuert werden, auch der Gewerbesteuer unterworfen werden.

Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2024: Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 sieht vor, dass der Hinzurechnungsbetrag weiterhin ungekürzt in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einfließt. Dies verstärkt die steuerliche Belastung von Unternehmen, die durch ihre ausländischen Tochtergesellschaften passive Einkünfte erzielen und diese nach deutschem Recht hinzugerechnet bekommen.

Wegfall des Nichtanwendungserlasses: Ein früherer Erlass, der das BFH-Urteil vom 11.03.2015 in bestimmten Fällen außer Kraft setzte, wurde aufgehoben, was bedeutet, dass diese Rechtsprechung nun uneingeschränkt gilt. Das BFH-Urteil hatte entschieden, dass eine Kürzung des Hinzurechnungsbetrags nicht möglich ist, wenn die Einkünfte auf eine ausländische Betriebsstätte zurückzuführen sind.

Kernpunkte der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung:

  1. Beteiligungen an nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten:
    • Die verschärfte HZB betrifft Beteiligungen gemäß § 7 AStG an ausländischen Gesellschaften in Staaten, die als nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete eingestuft werden.
    • Diese Länder erfüllen bestimmte Kriterien nicht, darunter:
      • Keine Transparenz in Steuersachen, beispielsweise kein automatischer Austausch von Informationen über Finanzkonten (§ 4 StAbwG).
      • Betreiben eines unfairen Steuerwettbewerbs, z. B. durch ein deutlich niedrigeres als das sonst übliche Steuerniveau, das nur Gebietsfremden zugutekommt (§ 5 StAbwG).
      • Nichteinhaltung der BEPS-Mindeststandards, wie z. B. die Nichtumsetzung bestimmter BEPS-Aktionspunkte oder kein Austausch von Country-by-Country-Reports (CbCR) (§ 6 StAbwG).
  2. Rechtsfolgen (gültig ab 2022):
    • Die Gesellschaft wird mit sämtlichen niedrig besteuerten Einkünften als Zwischengesellschaft behandelt, unabhängig davon, ob es sich um aktive oder passive Einkünfte handelt (§ 8 Abs. 2, § 9 AStG).
    • Diese Regelung gilt auch für Betriebsstätten gemäß § 20 Abs. 2 AStG.
  3. Ausnahme:
    • Eine Ausnahme von der Anwendung der verschärften HZB besteht, wenn die Anwendung des § 9 StAbwG zu niedrigeren steuerpflichtigen Einkünften führt als die reguläre Hinzurechnungsbesteuerung.

Aktuelle Schwarze Liste der EU (Stand 20.02.2024):

Zu den nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten zählen derzeit unter anderem:

  • Amerikanisch-Samoa
  • Anguilla
  • Antigua und Barbuda
  • Fidschi
  • Guam
  • Palau
  • Panama
  • Russland
  • Samoa
  • Trinidad & Tobago
  • Amerikanische Jungferninseln
  • Vanuatu

Die verschärfte HZB unterstreicht die Bestrebungen, aggressive Steuervermeidung durch die Nutzung von Steueroasen zu bekämpfen, indem sie Einkünfte aus diesen Gebieten stärker besteuert, unabhängig von ihrer Art, und somit die Steuerbasis in Deutschland schützt.

Treaty Override / Switch Over (§ 20 AStG)

  • Treaty Override (§ 20 Abs. 1 AStG): Nationale Vorschriften, die völkerrechtliche Abkommen (Doppelbesteuerungsabkommen) übersteuern, um eine ungerechtfertigte Steuervermeidung zu verhindern.
  • Switch Over (§ 20 Abs. 2 AStG): Vermeidung von Missbrauch durch Wechsel der anwendbaren Besteuerungsregeln, wenn bestimmte Einkünfte nicht oder nur gering besteuert werden.